Obere Starkenburger Mühle (1)

Trarbach, Stadt Traben-Trarbach Im Ahringsbachtal

Beschreibung
Die 200 Jahre alte Mühle kann nur zu Fuß von Starkenburg und Enkirch aus erreicht werden. Die Wanderwege sind ausgeschildert. Die Mühle kann von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden.
Auskunft: 06541 / 3434


Geschichte der Oberen Mühle im Ahringsbachtal
Bericht von Bernd Blumenthal

Die Mühlen des vorderen Hunsrücks ähneln so gar nicht den stattlichen Gebäuden, an die man spontan denkt, wenn man den Begriff Mühle hört. Sie sind nicht so imposant wie die gewaltigen Windmühlen, die man aus Holland oder Norddeutschland kennt und drücken nicht die gediegene Idylle der Mühlengebäude aus, die sich in aus dem 19. Jahrhundert stammenden, romantischen Illustrationen zu Grimms Märchen findet. Sie sind kleine, unscheinbare Zweckbauten, die abseits der Straßen liegen und leicht Gefahr laufen, übersehen zu werden.

Wegen ihrer geringen Abmessungen sind sie kaum heutigen Bedürfnissen angepasst, und so sind sie meist verfallen oder ganz verschwunden, wenn sie keine Verwendung als Ferienhäuschen finden konnten.

Dabei handelt es sich bei diesen Mühlen um die baulichen Überreste eines kulturellen Phänomens, das in Deutschland ziemlich einzigartig sein dürfte.

Im gesamten Reichsgebiet sicherten sich die Territorialherren wie zum Beispiel die Trierer Erzbischöfe im Verlauf des 13. und 14. Jahrhunderts die ursprünglich dem König zustehenden Regalien, also die Hoheitsrechte auf Nutzung zum Beispiel von Berg, Wasser und Jagd. Hierzu gehört auch das Mühlenregal, also das Recht der Landesherren, als einzige auf ihrem Gebiet Mühlen zu bauen und zu betreiben. Eng verbunden mit dem Mühlenregal war der Mühlenbann, der die eines bestimmten Bezirks verpflichtete, ihr Getreide ausschließlich in der entsprechenden Bannmühle mahlen zu lassen, auch wenn zum Beispiel eine andere Mühle verkehrsmäßig günstiger lag.

Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei den für bestimmte Gebiete des Hunsrücks typischen Mühlen um Genossenschaftsmühlen, die von einer bestimmten Anzahl von Bauern in eigener Regie betrieben wurde. Nicht ein vom Landesherrn eingesetzter und hierdurch mit einer gewissen Macht ausgestatteter Bannmüller mahlte das Getreide der ländlichen Bevölkerung, sondern die Bauern hatten diese wichtige Arbeit in eigener Hand.

Die Genossenschaftsmühlen verdanken ihr Entstehen einer besonderen historischen Entwicklung. Nachdem die Hintere Grafschaft Sponheim 1444 an Pfalz-Zweibrücken fiel, hatten die Hunsrückergebiete wegen ihrer Entfernung von der Residenzstadt ein relativ großes Eigenleben. Die Landesherrschaft zeigte offensichtlich wenig Interesse an der Durchsetzung des Mühlenregals. So kommt es, dass im 16. Jahrhundert - also zu Zeiten, in denen der Mühlenbann in den benachbarten kurtrierischen Gebieten streng überwacht wurde - in einigen Gebieten des zweibrückisch-sponheimischen Hunsrücks zahlreiche Bauernmühlen entstanden.

Ein zweiter Faktor war ausschlaggebend für diese Entwicklung. Nur mit besonders effektiven Mühlrädern konnte die Wasserkraft der kleinen Hunsrückbäche ausgenutzt werden. Diese entstanden erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Form des oberschlächtigen Zellenwasserrades zur Verfügung. Hierbei wir das Wasser von oben auf das Rad geführt, dessen Schaufeln als Zellen ausgebildet sind, um so die Wasserkraft besser ausnutzen zu können.

Die ältere Technik des unterschlächtigen Rades, bei der das fließende Wasser die hierin eingetauchten Schaufeln vorwärtsbewegt, war für die relativ wasserarmen Bäche des mittleren Hunsrücks nicht geeignet. Somit kann man davon ausgehen, dass die Bauernmühlen des Oberamtes Trarbach um 1550 herum an den Oberläufen der Bäche in der Gegend um Kleinich, Hochscheid und Irmenach entstanden sind, an denen es vor dieser Zeit keine Wassermühlen gab.

An den Unterläufen dieser Bäche in Moselnähe sind auch um diese Zeit keine Bauernmühlen bekannt. Hier befanden sich noch aus dem Mittelalter stammende Bannmühlen, die jedoch mit Zeit ihre Banngewalt verloren hatten. Im Oberamt Trarbach waren sie durch das Landesherrliche Desinteresse erblich geworden, und die Müller betrieben sie noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als Kundenmühlen weiter.

Erst kurz vor 1800 bildeten sich auch hier zunehmend Bauernmühlen. Zwei typische Vertreter dieser zweiten Gründungsphase von Mühlengenossenschaften sind die Obere und die Untere Mühle im Ahringsbachtal bei Starkenburg.

Während letztere in den vergangenen Jahren wie viele andere auch zum Wochenendhaus umgebaut wurde, ist die Obere Mühle im Ahringsbachtal voll funktionsfähig und wird weiterhin von einer Mühlengenossenschaft von 19 Genossen betrieben. Das Mühlenbuch, das vom jährlich neu zu wählenden Mühlenmeister geführt wird, stammt noch aus der Erbauungszeit und gibt manchen Aufschluss über das Schicksal der Mühle und damit über den Alltag der Menschen, die hier arbeiteten.

Demnach wurde die Obere Mühle im Ahringsbachtal 1798 in Betrieb genommen. Über den Anlass für die Gründung einer Mühlengenossenschaft ist nichts ausgesagt, aber es steht zu vermuten, dass die Mühlengenossen, die hier in Moselnähe überwiegend vom Weinbau lebten und nur geringe Feldfruchterträge hatten, die Molterabgaben für die Müller sparen wollten.

In den ersten siebzig Jahren der Mühlengenossenschaft finden sich im Mühlenbuch nur Abrechnungsunterlagen, die auf dem jährlich stattfinden Mühlentag, der Generalversammlung der Genossen, Einnahmen und Ausgaben säuberlich auflisteten. Es sind für heutige Begriffe geringe Beträge, schließlich sollte die Genossenschaft keinen Gewinn machen, sondern lediglich die Mühle unterhalten.

1868 war dann die erste größere Reparatur fällig: am 5. Februar setzte der Mühlenarzt (so werden bis heute die Mühlenbauer genannt) Peter Kappel aus Irmenach ein neues Wasserrad ein. Mit der Reparatur gab es jedoch auch den ersten größeren Ärger. Die Mühlengenossen weigerten sich, das von ihnen in Auftrag gegebene Rad zu bezahlen, da sie nicht mit der Qualität des verwendeten Holzes einverstanden waren. Nach einigem Hin und Her einigte man sich jedoch auf folgende Kompromissformel, die im Mühlenbuch niedergelegt wurde:

Heute, dem 25. März 1868, hat der Mühlenarzt Peter Kappel aus Irmenach der oberen Mühlengesellschaft das neue Wasserrad abgeliefert; da die Gesellschaft das Rad nicht annehmen wollte weil schlechtes Holz verwendet wurde, verpflichtet sich Kappel, das, wenn das Rad in 15 Jahren Fehler sollte bekommen es unentgeltlich machen wollte. Sei es durch Spund, Bruch, Faulriss.

Stgb., den 25. May 1868

Peter Kappel

Ob es im Laufe der nächsten Jahre zu Beanstandungen kam, ist nicht berichtet. Das Mühlrad hielt bis 1921, als der Mühlenarzt Bonn erstmals ein Rad mit eisernen Schaufeln einbaute.

Ansonsten befinden sich für das ausgehende 19. Jahrhundert keine nennenswerten Einzelheiten im Mühlenbuch. Einige kleinere Instandsetzungsarbeiten waren nötig und ansonsten ging der Mahlbetrieb seinen normalen Gang. Das Mahlgut wurde meist mit Fahrkühen den schmalen Waldweg hinunter ins Ahringsbachtal gefahren und nach dem Mahlen ging es den gleichen Weg, mit einer letzten Rast am Kasten (unterhalb vom Oberen Schafseifen), zurück nach Starkenburg. Noch heute spürt man, wenn man den Weg zu Fuß und ohne Last zurücklegt, was die Kühe dabei leisten mussten.

Die beiden Weltkriege stellen deutliche Einschnitte in den eingespielten Rhythmus der Mühlennutzung durch die Mahlberechtigten dar. Hatte bis 1914 jeder Mühlengenosse sein eigenes Mahlgut gemahlen, so waren die Frauen, die während des Krieges die Landwirtschaft weiter betrieben, nicht in der Lage, die Mühle zu betätigen. So richtete sich dann ein älterer Mann aus Starkenburg, der nicht mehr in den Krieg musste, in der Mühle häuslich ein. Das Essen wurde ihm regelmäßig ins Tal gebracht und so mahlte er zeitweise als hauptberuflicher Müller das Mahlgut der Mühlengenossen.

Der Zweite Weltkrieg führte erstmals zum Ausfall des seit 1850 jeweils am 6./7. Januar stattfindenden Mühlentages. An diesem Tag wird bis in die Gegenwart hinein im Rahmen eines Essens beim Mühlenmeister der Kassenabschluss gemacht und ein neuer Mühlenmeister gewählt.

Von 1942 bis 1947 fand kein Mühlentag statt - ein Hinweis darauf, dass in dieser Zeit die Mühlengesellschaft ihre Tätigkeit eingestellt hatte.

Der Wiederbeginn 1948 war nicht einfach. Zunächst machte der Mühlenarzt Kley die technische Anlage wieder gangbar. Als Anzahlung bekam er 82 Mark und 20 Flaschen Wein, weigerte sich jedoch, das restliche Geld in Empfang zu nehmen. Er wollte lieber bis nach der Währungsreform warten, was natürlich nicht im Interesse der Mühlengesellschaft war.

Wie groß des Engagement der Mühlengenossen in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war zeigt die Beteiligung bei der Erneuerung der inzwischen marode gewordenen Traufwand der Mühle, an der das Wasserrad läuft. 17 von 19 Teilhabern beteiligten sich jeweils fünf Tage lang an den Renovierungsarbeiten.

Mit der aufwärtsgehenden wirtschaftlichen Entwicklung scheint das Interesse gegen Ende der 50er Jahre jedoch deutlich zurückgegangen zu sein.

Als 1958 wegen Trockenheit nicht gemahlen werden konnte, wurde auf dem Mühlentag am 6. Januar 1959 diskutiert, die Mühle zu verkaufen. Davon nahm die Mühlengesellschaft jedoch Abstand und beschloss ihren Fortbestand, damit der Mühlentag weiter gefeiert werden kann und auch kommenden Generationen weiter erhalten bleibt.

Da auch in den Jahren 1959 bis 1961 nicht genügend Wasser zum Mahlen vorhanden war, ging die Durststrecke weiter.

1962 wurde der Mühlengraben durch den Wegebau der Stadt Traben-Trarbach im Ahringsbachtal zerstört. Als die Schäden nach einigem Hin und Her im folgenden Jahr gerade behoben waren, rutschte 1965 der wiederhergestellte Graben erneut nach. Der Grund für die Zerstörung war diesmal der Druck der 50 Meter hohen Abraumhalde der Schiefergrube Gondenau, die sich von der Hangseite immer näher an den Graben herangeschoben hatte.

Daneben fehlte es nicht an Versuchen Außenstehender, sich in die Mühlengenossenschaft einzukaufen, um so auf dem Mühlentag auf eine Versteigerung hinzuwirken. Die ursprünglich in der Bachaue gelegene Mühlenparzelle war nämlich bei der Bewirtschaftung der Nadelholzkulturen, die hier angelegt wurden, nun hinderlich. Aber kein Mühlengenosse verkaufte seinen Anteil.

Im Gegenteil: 1967 wurde ein Großteil der Holzzähne des Kammrades ersetzt, und ein Teil des Daches wurde repariert. Im folgenden Jahr wurde eine Putzmühle eingebaut, und die vorderen zwölf Meter des Mühlenbaches wurden verrohrt, und 1970 wurde am Ausgangspunkt des Mühlenbaches ein Wasserwehr eingebaut, um die Wasserzufuhr besser regulieren zu können.

Nach weiterer Verrohrung des Mühlbaches im Jahre 1971 wurde 1977 schließlich ein neues Mühlrad eingebaut.

Damit begann endgültig ein neues Zeitalter für die Mühle im Ahringsbachtal.

Nachdem sich fast 125 Jahre lang ein hölzernes Rad gedreht hatte und 55 Jahre lang ein Rad mit Eisenschaufeln, ist das neue Mühlrad verzinkt und
damit bestens für die nächsten hundert Jahre gerüstet.

Die Veränderung der Mühlrades ist jedoch nicht nur unter dem technischen Aspekt des Korrosionsschutzes zu sehen. Sie steht im Grunde genommen für eine Veränderung der Aufgabe der Mühle.

War sie ursprünglich aus wirtschaftlicher Notwendigkeit gebaut und genutzt worden, so hat die Zeit sie im Grunde genommen überlebt.

Wenn ihre Besitzer sie dennoch weiter unterhalten, so tun sie dies nicht um des täglichen Brotes willen, sondern in erster Linie, weil sie sich in einer langen Tradition sehen, die sie fortführen wollen.

1970 schrieb Rolf Robischon, der Gründer des Freilichtmuseums Roscheider Hof in Konz, über die Hunsrücker Genossenschaftsmühlen ….dass in ganz kurzer Zeit von diesen technischen und sozialen Kulturdenkmälern sozusagen nichts mehr erhalten sein wird…

Heute, über ein Vierteljahrhundert später, sind wir beinahe an diesem Punkt angelangt. Vor diesem Hintergrund kommt der Mühlengenossenschaft der Oberen Mühle im Ahringsbachtal eine Bedeutung zu, die über die Pflege einer örtlichen Tradition hinausgeht. Sie betreibt in bezug auf das Mühlengebäude und in bezug auf sich selbst aktive Denkmalpflege, die es ermöglicht, zumindest ein kleines Fenster in den früheren Lebensalltag der Menschen auf dem Lande offenzuhalten.

Quelle: Jahrbuch Kreis Bernkastel-Wittlich 1993

Aufnahme:
Pfingstmontag 2002 - Teilnahme am jährlichen Deutschen Mühlentag
Personen vor der Mühle:
1. Alfred Stumm aus Starkenburg (rechts, Mühlengenosse)
2. Ulrich Weißgerber aus Enkirch (links, Mühlengenosse und Verbandsbürgermeister der VG Traben-Trarbach)

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Technische Bauten und Industrieanlagen / Mühlen
Zeit:
1798
Epoche:
Klassizismus

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.160489
lat: 49.948555
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Kampfwiesen

Internet
http://www.traben-trarbach.de/

Datenquellen
Trierischer Volksfreund; Bernd Blumenthal und Jahrbuch Kreis Bernkastel-Wittlich 1993

Bildquellen
Bild 1: © Hans-Werner Franz, Starkenburg. 2002 http://www.starkenburg-mosel.de/
Bild 2: © Hans-Werner Franz, Starkenburg. 2002

Stand
Letzte Bearbeitung: 18.04.2008
Interne ID: 7746
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=7746
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