Marienkapelle Kinheimer Bildchen (2)

Kinheim, Gemeinde Kinheim

Beschreibung
Nördlich der Ortslage an der Kreisstraße 62, am Waldrand: Marienkapelle; zweiachsiger Putzbau, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. [1]

Über die Entstehung dieses "Kinheimer Bildchens" erfahren wir Näheres aus einem kirchlichen Visitations-Protokoll des Jahres 1803. Nach diesem wurde von einer dazu bestimmten Kommission eine eingehende Untersuchung über den Ursprung des Heiligenhäuschens und des Vesperbildes auf dem Kinheimer Berge vorgenommen. Der 85jährige Nikolaus Keil, ein ehrbarer und glaubhafter Mann, gab damals nachfolgende Aussagen zu Protokoll:
Daß ungefähr vor 70 Jahren der damalige Viehhirt von Kinheim sich auf dem besagten Platz befand und seine Herde weidete; da entstand plötzlich ein solches Ungewitter, welches so lang anhaltend nicht abweichen wollte, so daß der Hirte mit seiner Herde vermeinte, in Todesgefahr zu sein. Der Hirdt suchte in dieser augenblicklichen Gefahr Hilf bei Gott und der Muttergottes, verlobte der Mutter Gottes zu Ehren auf diesem Platz ein Heiligenhäuschen mit einem Vesperbild zu erbauen, worauf sogleich das Ungewitter verschwende. Wegen Armuth des Hirte wurde das versprochene Heiligenhäusgen nicht sogleich erbauet. Es befände sich aber nachgehens ein Bürger von Kinheim mit Namen Adam Scheuer, welcher ein klein steinernes Heiligenhäusgen mit einem Vesperbild versehen aus innerlichem Triebe der Mutter Gottes zu Ehren hat errichten lassen."

Im Jahre 1763 wurde anstelle dieses ursprünglichen steinernen Heiligenhäuschens, das nach obiger Urkunde aus der Zeit um 1735 stammte, die jetzige Kapelle erbaut, wie derselbe Nik. Keil weiter bezeugt [...].
Es ist wohl ganz natürlich, daß die Kapelle zu dieser Zeit von frommen Pilgern viel besucht wurde. Von nah und fern eilte man herbei, denn diese wunderbaren Ereignisse verbreiteten sich bald in der ganzen Umgebung. In der Folgezeit unter Ludwig XIV. und Napoleon I als ständige Unruhe im Lande herrschte, wurde die Kapelle vernachlässigt und fiel der völligen Vernichtung anheim. In dieser Zeit wurde ein Reiter in dunk­ler Nacht auf der einsamen Römerstraße von zwei Räubern überfallen. Durch die Macht Marias, die er in seiner Not anflehte, wurde er aus ihren Händen gerettet. Aus Dankbarkeit ließ er das zerfallene "Bildchen" wieder aufrichten.
Diese Begebenheit hat der Hochwürdige Herr Pastor Scheuet von Bremm (1886), geboren in Kinheim, in einem Gedichte wiedergegeben:

Fromme, edelgesinnte Menschen haben stets seit dieser Zeit für die Erhaltung und Verschönerung der Kapelle gesorgt. In den letzten Jahren hat der Besuch des "Bildchens" durch Leute aus der ganzen Umgebung wieder bedeutend zugenommen. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend strömen an Sonn- und Feiertagen, besonders aber im Monat Mai, fromme Gläubige aus der ganzen Umgebung herbei, um der schmerzhaf­ten Mutter ihre Anliegen vorzutragen und Trost und Hilfe bei ihr zu suchen.

Soweit der Bericht. Aus ihm entnehmen wir, daß um 1735 von einem Hirten ein Bildstock in einem wohl sehr kleinen Kapellchen aufgestellt wurde. Das erinnert an den frommen Hirten Eberhard, der rund 300 Jahre vorher mit seinem Marienbildchen den Grundstein von Eberhardsklausen legte. Das erste Muttergottesbild auf dem Kinheimer Berg, etwa 60 cm hoch, war ganz im Stil des Barock geschnitzt. Es zeigt Maria mit dem Leichnam ihres Sohnes im Schoß. Rund 120 Jahre lang wurde dieses einfache Bildnis verehrt. Dann wurde es durch die heutige Pietá aus Sandstein ersetzt. Nach Ausweis der Jahreszahl in deren Sockel geschah das 1858. Am 11. Februar dieses Jahres war in einer Grotte bei Lourdes dem Hirtenmädchen Bernadette Soubirous zum erstenmal die Muttergottes erschienen. Rasch verbreitete sich die Nachricht von diesem Wunder und löste eine Welle neuer tiefer Marienverehrung aus. Die Kinheimer Leute fanden ihr altes Marienbildchen nun doch zu bescheiden und ließen der Muttergottes zu Ehren das stattlichere heutige Bildnis gestalten. Das alte Bildchen indes fand ein kümmerliches Dasein hinter dem Altar der Kapelle. Hier lag es unbeachtet bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, Dann entdeckte es der damalige Kinheimer Pastor und gab ihm einen Ehrenplatz in der Kinheimer Kirche, wo es heute noch zu sehen ist.

Auch die Kapelle selbst hat ihre bewegte Geschichte. Der ursprüngliche Bildstock von ca. 1735 wurde 1762/63 von einem Kinheimer Bürger mit Hilfe von Freunden aus Dankbarkeit für Genesung mit Hilfe Mariens durch ein Kapellchen ersetzt. Das ist vermutlich der kleinere hintere Anbau an der heutigen Kapelle. In der Franzosenzeit von 1794 bis 1813, als der Krieg alles beherrschte und die Religion wenig galt, ist dieses Kapellchen verfallen. Wiederum aus Dankbarkeit für die Hilfe der Muttergottes wurde es jedoch gegen Ende dieser Zeit neu errichte!, Der 1803 geborene Johann Scheuer aus Kinheim, später Pfarrer, berichtet, er habe als Knabe, Kalk und Sand fahrend, beim Wiederaufbau mitgeholfen. Die heutige Kapelle verdankt ihre Entstehung der Verehrung der Lourdes-Muttergottes; sie wurde zwischen 1858 und 1860 errichtet.

Vor noch nicht langer Zeit war es Brauch, daß am 19. März, dem Fest des hl. Josef, eine Gruppe von Frauen und Männern aus Kinderbeuern zum Kinheimer Bildchen pilgerten. Leider ist dieser schöne Brauch in Vergessenheit geraten. [2]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Sakralbauten / Kapellen
Zeit:
1858
Epoche:
Historismus / Jugendstil

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.048698
lat: 49.988155
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Aufm Kinheimer Berg

Internet
http://www.kinheim.de/

Datenquellen
[1] Denkmalliste der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Rheinland-Pfalz; 2010.
[2] Christine Tillmann: Das Kinheimer Bildchen; in: Das Alftal in Gegenwart und Geschichte-Chronik der Alftalgemeinden 1994/95

Bildquellen
Bild 1: Das Alftal in Gegenwart und Geschichte-Chronik der Alftalgemeinden 1994/95
Bild 2: Das Alftal in Gegenwart und Geschichte-Chronik der Alftalgemeinden 1994/95
Bild 3: © Gregor Junglen, Trier-Pfalzel, 2018.
Bild 4: © Gregor Junglen, Trier-Pfalzel, 2018.
Bild 5: © Gregor Junglen, Trier-Pfalzel, 2018.

Stand
Letzte Bearbeitung: 10.12.2018
Interne ID: 13132
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