Ehemalige Mühle des Grafen Franz-Georg

Gerolstein, Stadt Gerolstein Mühlenstraße

Beschreibung
An der Nordseite der mittelalterlichen Stadtmauer von Gerolstein befindet sich das einzige (von dreien) noch erhaltene Tor, das den Weg freigibt zum Kylltal, das Mühlentor ("Müllepoort"). Nicht von ungefähr trägt es diesen Namen. Wo sich heute die Gebäude der Gerolsteiner Mineralwasserbetriebe befinden stand früher die Mühle, und wo später dann die neue Mühle errichtet wurde, am Westende des Mühlenwäldchens, war schon zur Römerzeit der erste Mineralwasserbrunnen, der Siddinger Drees. Mühle und Mineralwasserbetriebe haben die Plätze getauscht.

Die Akten der Grafschaft Gerolstein (Staatsarchiv Koblenz) unter dem Grafen Franz-Georg (1697 -1730) geben verständlicherweise keine vollständige Geschichte der gräflichen Mühlen, doch ist ihr "Klappern" allenthalben laut zu vernehmen.

Eine Mühle zu betreiben war sicherlich nicht nur im "Schroweland" = Grafenland so etwas wie ein gräfliches Monopol. Zum Bau und zur Unterhaltung der Mühle wurden zwar auch die Bürger herangezogen. So bittet 1704 der Müller von Gerolstein den Grafen, er möge die Bürger anhalten, notwendige Frondienste zu leisten. Da das Wehr der Reparatur bedürfe, müßten ein paar Wagen Rasen angefahren werden, um damit das Wehr abzudichten. Auch die Antwort des Grafen Franz-Georg ist erhalten: Es wäre nur billig, daß die Mühle von den Bürgern unterhalten würde, bis eine neue erbaut sei. So hätten sie die Wahl, entweder zur Unterhaltung der alten oder zum Bau der neuen Mühle beizutragen. Den dritten Weg, sich in eine andere Mühle "bannen" zu lassen, würden sie doch wohl nicht ernstlich in Betracht ziehen. Die Grafschaft kannte damals nur "Bannmühlen", das heißt solche, die dem Grafen gehörten und in denen die Untertanen mahlen lassen mußten. Alle Orte waren einer bestimmten Bannmühle zugeteilt ("gebannt").

Nun aber war Gerolstein damals schon über 350 Jahre Stadt nach Aachener Recht. Die Stadt durfte Mauern zu ihrer Sicherheit erbauen, durfte Märkte abhalten und auch in eigener Regie eine Mühle betreiben. In der Tat hatte die Stadt lange Zeit eine eigene Mühle gehabt. Da die Schwierigkeiten mit ihr aber noch größer waren, als mit der gräflichen Mühle, konnte sie sich nicht lange halten und man bevorzugte wieder die Bannmühle. Wenn der Zugang zu ihr auch schwierig, im Winter fast lebensgefährlich war, so war man doch auf sie angewiesen.

Das war nun ein Dilemma fast ohne Ausweg. Mit der Stadtmühle hatte man schlechte Erfahrungen gemacht, für die gräfliche Mühle widerspruchslos Frondienste leisten, das wollte man nicht; man hätte damit städtische Rechte aufgegeben. Die Grafen suchten ohnedies immer wieder Stadtrechte zu beschneiden. Wenn man schon der Gewalt weichen mußte, dann wollte man wenigstens protestieren, um bei jeder sich bietenden Gelegenheit an die eigenen verbrieften Rechte zu erinnern.

Es war ein gefährliches Spiel, als die Bürgerschaft sich weigerte, Frondienste zum Bau der neuen Mühle zu leisten, setzte man sich doch damit der Gefahr aus, daß ihnen überhaupt keine Mühle mehr zugeteilt würde. Das Wagnis konnte man nur deshalb auf sich nehmen, weil Franz-Georg selten in Gerolstein anwesend war. Als Oberhofmeister und später Erster Minister des Kurfürsten von der Pfalz, als Geheimer Rat Kaiser Karls VI. war er in Angelegenheiten des Reiches oft auf Reisen. Aber auch der Stellvertreter des Grafen in der Regentschaft, der Landschultheiss Osenbrug, griff scharf durch. Er erteilte zunächst eine kräftige Rüge und drohte, schuldhaftes Verhalten dem Grafen zu melden. Einundzwanzig Gerolsteiner Bürger erschienen nicht zum Frondienst, den sie beim Bau der neuen Mühle zu leisten aufgefordert waren. Als Strafe mußten sie ohne Aufschub zunächst einen Goldgulden zahlen. Auch die Eicher wurden herangezogen. Während den Gerolsteinern Handfronden zugeteilt wurden, mußten sie die Fahrdienste leisten.

Aber auch nachdem die neue Mühle stand, gingen die Querelen weiter. Michael Kauert und Andreas Hilgers waren mit ihren Wiesen Anlieger des neuen Mühlenteiches. 1705 beschwerten sie sich, daß ihre Wiesen durch den Teich verdorben würden. Der Graf zeigt Einsehen und erbat von den beiden Vorschläge, wie man dem abhelfen könne.

Schwieriger war schon der Fall des Michael Lauer von Gerolstein. Er hatte seiner Zeit in die Mühle hineingeheiratet; nun bekam er 1707 vom Rentmeister einen Steuerzettel betreffs des Wasserlaufs. Lauer begehrte zu wissen, ob das auf »gnädigen Befehl« erfolgt sei oder ob der Rentmeister eigenmächtig gehandelt habe. Dabei gab er zu bedenken, daß sein Schwiegervater 16 Jahre lang die Mühle gehabt habe und er jetzt auch schon sechs Jahre. Bisher seien keine Steuern für den Wasserlauf erhoben worden; im übrigen hätten sie gar keinen Wasserlauf (= unterer Teil des Mühlenwehrs). Die Antwort, die M. Lauer erhielt, wird ihm nicht gefallen haben. Ohne daß eine Begründung angegeben wurde, wurde verordnet, für die verflossenen sechs Jahre seien pro Jahr 1 1/2 Gulden zu zahlen, für die folgenden Jahre aber jährlich zwei Gulden.

1713 hatte ein neuer Müller die Gerolsteiner Mühle übernommen. Während sein Name nicht genannt wird, erfahren wir doch den des "abgestandenen" = bisherigen Müllers; er hieß Pincino. Der scheint die Mühle nicht gerade in idealem Zustand übergeben zu haben. So mußte sein Nachfolger zunächst einmal eine Anzahl Reparaturen durchführen. Die Liste der Unkosten, die ihm dadurch entstanden waren, legte er nun dem Landschultheissen Osenbrug vor. Der sah sich außerstande, den Fall selbst zu entscheiden. Auf Anordnung des Grafen mußte er aber dem "abgestandenen" Müller Pincino mitteilen, er habe für die entstandenen Unkosten aufzukommen; wenn nötig würde man sie mit Gewalt von ihm eintreiben.

Der Name Pincino taucht hier nicht zum ersten Male auf. 1704 wird ein "Maurer Pincino" genannt. Ob er identisch ist mit dem Müller, läßt sich nicht mehr feststellen. Es ist wahrscheinlich, daß die Familie aus Norditalien stammte und in der Zeit der mittelalterlichen Kathedralbauten zusammen mit vielen anderen italienischen "Steinmetzen" (Sammelbegriff für alle, die am Bau arbeiteten) nach Deutschland einwanderte. Als Pfarrer Claus (1707 - 15) nach dem großen Stadtbrand von 1708 neue Kirchenbücher anlegte, war seine erste Eintragung im "Über matrimoniorum" (Trauungsbuch) die Eheschließung zweier Italiener: "Am 29. Oktober (1709) habe ich die ehrenwerten Jakob Bellesino und Maria Elisabeth Pincino, Tochter des Anton Pincino aus Gerholstein getraut. Als Zeugen waren anwesend Johannes Werner Daubach und Matthias Flesch, beide aus Gerolstein". Die Tochter dieses jungen Ehepaares heiratete am 12. 2. 1737 den aus Steffeln nach Gerolstein zugezogenen Johannes Böffgen, den Stammvater der heute noch in Gerolsteinzahlreich vertretenen Familie Böffgen. Familie Bellesino stammte aus Tirano im Tellina-Tal, nordöstlich von Mailand, nahe der heutigen Schweizer Grenze (Graubünden).

Noch ein Name taucht auf in der Geschichte der Gerolsteiner Mühle, der lange Jahre mit der Verwaltung der Stadt verbunden blieb und in der Geschichte der Mühlen unserer Heimat gar bis in unsere Zeit hineinreicht: es ist der Name Pfeil. Erstmalig erscheint er 1711 in Verbindung mit der Mühle von Michelbach. Ein Philipps hatte die Mühle gepachtet, sie aber auch gründlich heruntergewirtschaftet bis zur Baufälligkeit der Gebäude. Deswegen war ihm seit ein paar Jahren die Pacht erlassen worden mit der Auflage, die Mühle wieder instandzusetzen. Philipps aber ging einen bequemeren Weg. Statt sich ans Werk zu machen, ließ er die Gebäude liegen wie sie waren und pachtete sich einen anderen Betrieb, die Mühle zu Müllenborn. Nun aber griff der Graf ein. Durch seinen Landschultheissen Osenbrug ließ er Herrn Philipps unter Androhung einer Haft ermahnen, dafür zu sorgen, daß die Gebäude wieder in einen guten Zustand versetzt würden. Nach langem hin und her gab Philipps an, der neue Müller Pfeil aus Gerolstein habe ihm zugesagt, die Mühle wieder instandzusetzen. Ob Pfeil die Mühle aber wirklich übernommen oder die Übernahme nur in Aussicht gestellt hat? Jedenfalls herrscht 1713 noch der alte Zustand. Weder Befreiung von der Pacht noch alle Ermahnungen bis hin zur Androhung einer Arreststrafe hatten eine Änderung herbeigeführt. Die Klagen der Mahlgäste hielten an. So wurde den Michelbachern auferlegt, Wandel zu schaffen: Innerhalb einer Woche sollten sie einen rechtschaffenen Mann benennen, der bereit sei, die Mühle zu übernehmen. Wenn das nicht möglich sei, würde die eigene Mühle stillgelegt und sie nach Gerolstein "gebannt" das heißt, daß sie dann dort mahlen lassen müßten.

Da die Kirchenbücher beim Stadtbrande 1708 mit verbrannten, wissen wir nicht, wann der Name Pfeil erstmalig in Gerolstein erscheint. In den von Pfarrer Claus angelegten neuen Büchern erscheint er als einer der alten Familien stamme, so daß mit Sicherheit angenommen werden kann, daß die Familie auch im 17. Jahrhundert in der Stadt schon ansässig war. Das Taufbuch (Sarresdorf) nennt 1716 einen Matthias Pfeil "Müller in Sarresdorf". 1732 ist ein Eyß auf der gräflichen Mühle.

Private Unterlagen nennen einen aus Glaadt zugezogenen Adrian Pfeil, der 1782 in Gerolstein heiratete. Es könnte sein 1842 geborener Enkel Nikolaus Pfeil gewesen sein, der Eigentümer der neuen Mühle war und der vor Leutnant Bouche dem Gemeinderat einen Antrag auf Nutzung der Quelle Siddinger Dreis vorlegte. Später war Nikolaus Pfeil dann Ortsvorsteher; in seine Zeit fiel der Ärger und Streit mit Lt. Bouche. Pfeil verpachtete seine Mühle an Herrn Roth. Spätere Eigentümer waren Schorn, Nürnberg und Simon, bis der ganze Komplex 1946 von Herrn Liesegang aufgekauft und zu den "Gerolsteiner Werkstätten" umgestaltet wurde. Ein Zweig der Familie Pfeil hatte auch die Geeser Mühle übernommen und führte sie bis in den 2. Weltkrieg hinein. Nachdem die drei ledigen Geschwister gestorben waren, ging das Anwesen über an eine Familie aus dem deutschen Osten, die in Gees eine neue Heimat fand.

Von den zahlreichen Mühlen des "Schroweland" klappert heute keine mehr. Die veränderte Wirtschaftsstruktur unserer Zeit hat auch hier ein altes Handwerk sterben lassen, das einstmals unsere Dörfer mitgeprägt hat. [1]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Technische Bauten und Industrieanlagen / Mühlen
Zeit:
1704
Epoche:
Barock / Rokoko

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.668067
lat: 50.223276
Lagequalität der Koordinaten: Vermutlich
Flurname: Ortslage

Internet
http://www.jahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1982/hjb1982.73.htm

Datenquellen
[1] P. Josef Böffgen: "Es klappert die Mühle . . ." - Vom gräflichen Monopol in Gerolsteiner Mühlenbetrieben. http://www.jahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1982/hjb1982.73.htm


Stand
Letzte Bearbeitung: 28.05.2012
Interne ID: 17502
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