Stadtrechte

Welschbillig, Gemeinde Welschbillig

Beschreibung
700 Jahre Stadtrechte. Am 29. Mai 1291 verlieh König Rudolf von Habsburg den sechs im Erzstift Trier gelegenen Orten Bernkastel, Mayen, Montabaur, Saarburg, Welschbillig und Wittlich die Rechte einer Stadt. Antragsteller und Empfänger der sechs Pergamenturkunden mit dem großen Siegel des Königs, die im Archiv der Erzbischöfe und Kurfürsten von Trier aufbewahrt wurden, war Erzbischof Boemund von Trier. Schon daraus wurde deutlich, dass es sich bei diesem Rechtsakt nicht um Einzelprivilegierungen von sechs herausgehobenen Siedlungen handelte, sondern offensichtlich um ein politisches und administratives Programm des Erzbischofs von Trier. Dieser wollte nämlich in dem Prozess der Herausbildung von Landesherrschaften, wie dies allenthalben im 13. Jahrhundert zu beobachten war, neben den alten Oberzentren Trier und Koblenz, diese sechs Städte als Mittelzentren und Kristallisationspunkte für den weiteren Ausbau und die Festigung seines entstehenden Territoriums bestimmen. Sein sehr weitläufiger damals noch wenig geschlossener Herrschaftsbereich reichte von der Saar entlang der Mosel bis zum Rhein und zur Lahn. Es versteht sich, dass dies eine grundsätzliche Entscheidung mit sehr tiefgreifenden und bis in die Gegenwart nachwirkenden Folgen gewesen ist. Burg und Stadt Mittelpunkt für Verwaltung, Polizei und Gericht - Zentrum für Handwerk, Handel und Marktrechtliche Privilegierung des Einzelnen und der Gemeinde durch größere Freiheit, Freizügigkeit und eigenständige (Selbst- und Finanz-) Verwaltung; dies sind Elemente, die mit den sechs Urkunden König; Rudolfs im Jahre 1291 diesen sechs Gemeinden übertragen und aufgegeben wurden. Jede dieser Gemeinden ist von diesem mehr oder weniger gleichen Ansatz eigene Wege gegangen, hat ihre unverkennbare individuelle Entwicklung genommen, ihre eigene Geschichte entwickelt, erlebt und erlitten. Vom gemeinsamen Ausgang vor 700 Jahren einmal Rückschau zu halten und als Geschwister gemeinsam Geburtstag zu feiern und auch wieder etwas näher zusammenzurücken, ist das Leitmotiv der gemeinsamen Veranstaltungen, Aktionen und Dokumentationen im Jubiläumsjahr 1991. [1]


Abschließend bleibt noch auf die Massenverleihung städtischer Rechte für zahlreiche Orte des Trierer Erzstiftes durch die sogenannten kurtrierischen Sammelprivilegien einzugehen. Diese Frage ist insofern von Belang, als sich, wie Schaus in seiner Untersuchung über das Sammelprivileg von 1332 hervorhebt, in der Gegenwart immer wieder einzelne Gemeinden als Grundlage und Beginn ihrer städtischen Freiheit auf sie zu berufen versuchten. In den 5 Jahrzehnten, in denen Erzbischof Baldewin an der Spitze des Trierer Kurstaates die Reichspolitik in nachhaltiger Weise beeinflußte, hat er sich mehrmals von den Königen als Belohnung für deren Wahlunterstützung oder Finanzierung oder aber auch durch Ausnutzung seines großen politischen Einflusses und seines engen Verwandtschaftsverhältnisses zu seinem Großneffen Karl IV. eine Fülle von Rechten durch ein Sammelprivileg verbriefen lassen. Es handelt sich jeweils um die Bestätigung und teilweise auch um eine Neuverleihung von Rechten und Privilegien verschiedener Art mit Bestimmungen über Münzrecht, Rhein- und Moselzölle, Geleitsrecht, Hof- und Heerfahrt, über das Erzkanzleramt, über den Erwerb veräußerter Reichsgüter, über hohe, niedere und geistliche Gerichtsbarkeit, Hofgerichtsverfahren, Burgenbauverbot und über weitere Fragen mehr. Die Rechtsverleihungen für die erzstiftischen Städte stehen zwar durchweg an der Spitze des Privilegs, sie werden aber sowohl hinsichtlich ihres Umfanges als auch ihrer Bedeutung durch die übrigen Bestimmungen weitgehend übertroffen. Durch das erste große Sammelprivileg vom Jahre 1332, das im Jahre 1339 nochmals erneuert wurde, verlieh Kaiser Ludwig der Bayer auf Grund eines vor seiner Wahl gegebenen Versprechens neben den übrigen erwähnten Rechten 30 kurtrierischen Orten das Stadtrecht von Frankfurt.

Auch den beiden Nachfolgern Baldewins, den Erzbischöfen Boemund von Saarbrücken und Kuno von Falkenstein hat Karl IV. in den Jahren 1356 und 1376 je ein Sammelprivileg ausgestellt.

Sowohl materielle Grundzüge wie äußerer Rahmen des Sammelprivilegs von 1332 wiederholen sich mit nur geringfügigen Abweichungen in den späteren Privilegien, so daß die Ergebnisse der Untersuchung von Schaus über die Urkunde von 1332 auch entsprechend auf die anderen ausgedehnt werden können. Die Freiung nach Frankfurter Recht wird 1332 ohne Unterschied verliehen an die Landeshauptstadt Trier (civitas), die übrigen aufgezählten Städte des Erzstifts (oppida), Dörfer (villae), Täler (valles) und Burgen (castra). Nicht nur Trier und Koblenz, die bereits lange vorher Stadtrechte besaßen, werden hier mitaufgeführt, sondern auch andere Orte, die gleichfalls seit mehreren Jahrzehnten Städte und zum Teil sogar bereits vorher mit Frankfurter Stadtrecht gefreit waren. Ebenso werden in der Freiungsliste einzelne Burgen aufgeführt, denen von vorneherein allein schon aus Mangel an Siedlungsraum jede Voraussetzung zu einer städtischen Entwicklung fehlen mußte. Die von Schaus durchgeführte ortsgeschichtliche Überprüfung der 30 Orte hat ergeben, daß viele von ihnen tatsächlich niemals Städte geworden sind und daß in keinem einzigen Falle irgendeine Auswirkung des Privilegs von 1332 festgestellt werden kann. Erzbischof Baldewin hat den betroffenen Orten die Rechtsverleihung auch nicht mitteilen lassen; diese Privilegien blieben vielmehr im erzbischöflichen Geheimarchiv. Sie sollten wohl erst dann den Betroffenen oder der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden, wenn ein vorher noch nicht mit städtischen Rechten begabter Ort bei günstiger Entwicklung als Stadt besonders herausgestellt oder aber die städtische Berechtigung seitens der Krone selbst oder durch eine andere Seite angezweifelt werden sollte.

Es kann daher im ersten, die Massenverleihung städtischer Rechte behandelnden Abschnitt des Sammelprivilegs nicht eine wirkliche Freiung der aufgeführten Orte mit Frankfurter Recht gesehen werden; vielmehr muß man annehmen, daß Baldewin sich hierdurch nur eine reichsrechtliche Stadtfreiung für die ihm als wichtig und entwicklungsfähig erscheinenden Orte vorsorglich sichern und sich gleichzeitig seine landesherrliche Oberhoheit und Gewalt über dieselben vom Reichsoberhaupt bestätigen lassen wollte. Angesichts des starken Selbständigkeitstriebes der seiner Landesherrschaft dauernd widerstrebenden größeren Stadtgemeinden wie Trier, Koblenz, Boppard und Oberwesel konnte er nur das eine Ziel haben, die weitere städtische Entwicklung der übrigen erzstiftischen Orte unter seiner landesherrlichen Gewalt und Kontrolle zu halten. Damit erklärt sich auch die zusätzliche Bestimmung in den Privilegien, daß durch die Verleihung der städtischen Rechte dem Erzbischof oder seinen Nachfolgern kein Schaden erwachsen dürfe und daß ihm allein die hohe und mittlere Gerichtsbarkeit als wichtigstes Instrument der Landeshoheit zustehen sollte. Man wird daher diese Freiheitsverleihung des Sammelprivilegs nur als Nachweis des erzstiftischen Besitzstandes auffassen können und in ihnen keinen rechtsbegründeten Akt, sondern lediglich ein sogenanntes taubes Privileg sehen dürfen. Für den Nachweis städtischer Rechte können die Sammelprivilegien daher nicht als beweiskräftige Urkunden herangezogen werden; vielmehr lässt sich eine sichere Beurteilung nur durch eine gründliche ortsgeschichtliche Einzeluntersuchung gewinnen. [2]

Einordnung
Kategorie:
Geschichte / Stadtrechtsorte /
Zeit:
29.05.1291
Epoche:
Gotik

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.569111
lat: 49.853171
Lagequalität der Koordinaten: Ortslage
Flurname: Ortslage

Internet
http://www.welschbillig.de/

Datenquellen
[1] Postdienst. Deutsche Bundespost
[2] Emil Schaus: Stadtrechtsorte und Flecken im Regierungsbezirk Trier und im Kreise Birkenfeld. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft für Landesgeschichte und Volkskunde des Trierer Raumes. 1958

Bildquellen
Bild 1: Deutsche Bundespost / Peter Idems, Kordel, 1998.
Bild 2: Emil Schaus: Stadtrechtsorte und Flecken im Regierungsbezirk Trier und im Kreise Birkenfeld

Stand
Letzte Bearbeitung: 07.10.2003
Interne ID: 1852
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=1852
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