Bertrada-Burg - Gringbötschel

Mürlenbach, Gemeinde Mürlenbach

Beschreibung
Über dem Haupttor der Bertradaburg in Mürlenbach an der Kyll in der Eifel ist dieses Relief, zur Abwehr einer Gefahr von außen, eingelassen. Es soll den nordischen Gottvater Odin darstellen, der auch Hrafnagud, was Rabengott bedeutet, genannt wurde. Er hatte als ständige Begleiter die beiden Raben Huginn (göttlicher Gedanke) und Muninn (göttliches Gedächtnis) zur Seite. Auch wenn sie nicht unbedingt wie Raben aussehen, halte ich den Bezug zur Germanischen Mythologie für sehr wahrscheinlich. [1]

Im Provinzialmuseum zu Trier befindet sich das genannte Steinrelief, roter Sandstein, 1,16 m lang und 81 cm hoch (Fig. 74), Ende des 13. Jahrhunderts, das als"Gringbötschel" bekannt ist und über dem Haupttor der Burg eingemauert war.

Die roh gearbeitete Skulptur befindet sich auf einer alten Photographie noch an ihrer Stelle. Dargestellt ist der Oberkörper eines nackten, wild aussehenden Mannes, der, auf seine Arme gestützt, wie aus einer Öffnung drohend herausschaut. Nach der symmetrischen Armhaltung scheint das konisch gearbeitete 10 cm breite Loch zwischen den Händen zum Einstecken eines Balkens als Lichtträger gedient zu haben. Die Haare sind symmetrisch gescheitelt, die Augen besonders groß dargestellt. Die riesige Nase ist abgeschlagen, ebenso die Kinnpartie fast ganz. Drachen und Basilisk in den freien oberen Ecken unterstützen die drohende Fratze in ihrer Aufgabe, Feinde und feindliche Gesinnung abzuwehren. [2]

Das "Gringbötschel"
Die Rotsandsteinplatte mit dem "Gringbötschel" – Relief ist feldseitig über dem Haupttor angebracht. Sie zeigt Kopf, Oberkörper und die hochgezogenen, angewinkelten Arme eines kauernden, wohl unbekleideten bärtigen Mannes, Seine Finger, die in den Rand der Platte hineinragten und eine fast quadratische, ca. 10 cm große Öffnung rahmten, und der Bart sind stark beschädigt . Markant sind die großen, mandelförmigen Augen. In beiden oberen Ecken des Reliefs sitzen, in Höhe der Oberarme des Mannes, die Köpfe über seinen Schultern, zwei vogelartige Fabelwesen. Viele Spekulationen über die Entstehung des Bildes kursieren. Aus kunsthistorischer Sicht dürfte der Stein in den Zeitraum Ende 13. Jahrhundert / Anfang 14. Jahrhundert zu setzen sein. Wahrscheinlich noch in heidnische Zeiten zurückreichend, findet sich figürlicher Schmuck jener Art ab dem 10./11. Jahrhundert an Sakral- und Profanbauten. Das über dem Tor angebrachte Relief ist eine Kopie, in der die am Original nicht erhaltenen Hände ergänzt sind. Das Original befindet sich seit über 100 Jahren im Magazin des Landesmuseums Trier. [3]


Der Fremde am Brunnen
Erzählung von der Bertradaburg von Wilma Herzog

Seit jener Begebenheit im 13. Jahrhundert sind mancherlei Stürme über die Bertradaburg hinweggefegt. Ruhige Zeiten und ein gewisser Wohlstand erlaubten es dem Grafen damals seine Burg weiter zu befestigen und zu verschönern. Eine Torburg mit zwei starken Türmen wurde errichtet, die Gärten ringsum neu gestaltet und im Innern ein neuer Brunnen angelegt. Dafür kam eigens ein Steinmetz aus Italien, damit er für diesen Brunnen eine Statue schuf.

Als nun die Arbeiten beendet waren, gab das Grafenpaar ein großes Fest, zu dem Gäste von weither anreisten; auch die Dorfbewohner waren eingeladen. Jeder bewunderte die Burg und ihre neuen Anlagen, am besten gefiel aber der Brunnen, an dem eine marmorne Mädchenfigur Wasser schöpfte. Die Burgbewohner hätten nun zufrieden sein können, wenn ihnen nicht das eine versagt geblieben wäre, dass sie sich so sehnlichst wünschen: ein Kind. Dieser unerfüllte Wunsch beschäftigte die Gräfin noch mehr, wenn sie jetzt am Brunnenrand saß und die anmutige Mädchengestalt daran betrachtete, denn eine solch anmutige Tochter wünschte sie sich.

In diesen Gedanken versunken saß sie eines Tages wiederum dort, als sie plötzlich jemand neben sich gewahrte, einen Fremden mit ernsten dunklen Zügen. Er trug edle Kleidung und einen weiten weißen Mantel darüber, so wie man sie in ferner Zeit trug. Bevor sie ihn aber fragen konnte, wer er sei, woher er komme, und wie er denn unbemerkt die so gut gesicherte Burg betreten konnte, sprach er:

"Euer Wunsch, edle Gräfin, wird sich erfüllen, zuvor aber werdet Ihr Euer Liebstes verlieren!" Die Gräfin erschrak darüber so sehr, dass sie nichts erwidern konnte und nur vor sich in den Wasserspiegel starrte. Darin sah sie ihr eigenes bleich gewordenes Gesicht, nicht aber den Fremden, der neben ihr stand. Als sie sich endlich gefasst hatte und sich zu ihm wandte, war er verschwunden. Da ergriff Entsetzen sie und eine bis dahin nie gekannte Panik. Ihr Mann merkte sofort die Veränderung, er fragte nicht nach dem Grund, als sie ihn bat, die Mädchenfigur sofort vom Brunnen entfernen zu lassen. Erst als das Marmorbildnis fort war, schien die Gräfin wie früher zu sein.
Fortan äußerte sie nie wieder ihren Kinderwunsch.

Einige Tage wähnte die Burgfrau sich in Sicherheit, da ritt ein Bote mit einem Schreiben durch das Tor ein; ihr Mann wurde zu den Waffen gerufen. Vergeblich versuchte die Gräfin ihn zu überreden einen Ersatzmann dem König zu entsenden, wie es damals üblich war. All ihr Bitten war umsonst. Der Graf war fest entschlossen, auch dieses Mal, wie schon oft vorher, als erfolgreicher Kämpfer mitzuziehen.

Am übernächsten Morgen versammelte sich im Frühnebel im Innenhof der Burg die Ritterschar, die dem Ruf Folge leistete. Ein allerletztes Mal beschwor die Gräfin ihren Mann nicht fortzureiten. Sie berichtete ihm von einem warnenden Traum. Selbst das hielt ihne nicht zurück, er ritt mit den anderen hinaus. Der Gräfin stockte der Atem, als sie den letzten der Reiter gewahrte: Es war der Fremde vom Brunnen, der sie einen Augenblick ansah. Jetzt, auf dem Pferd sitzend, trug er den Mantel zurückgeschlagen, sein Gewand darunter war schwarz.

Vergeblich wartete die Gräfin am Fenster.
Der Graf kehrte nicht wieder. Sie hatte ihr Liebstes verloren. Tagelang blieb sie ohne Nahrung, wollte niemanden sehen. Sie bemerkte trotz all ihrer Trauer einige Wochen später eine ungewöhnliche Veränderung in ihr. Dann erkannte sie den Grund: Sie erwartete ein Kind. Dankbar nahm sie dies als kostbares letztes Geschenk ihres geliebten Mannes an. Eine Tochter wurde ihr geboren. So glücklich sie als Mutter war, so traurig blieb sie über den Verlust ihres Mannes. Sie ging nun ganz in der Liebe und Fürsorge zu ihrem Kind auf. Obwohl sie immer noch eine anmutige junge Frau war, lehnte sie alle Bewerber ab, um sich ganz ihrem Kind zu widmen. Kein Übel sollte je ihre geliebte Tochter erreichen.

Immer weniger Besucher erhielten Einlass auf der Bertradaburg. Als sich die Tochter zu einer Schönheit entfaltete, wuchs die Sorge der Gräfin ins Unerträgliche. Um die allerletzten Besucher der Burg abzuschrecken, ließ sie vom Steinmetz eine Tafel anfertigen, die den Kopf eines wilden Mannes zeigte, der drohend und zähnefletschend, umrahmt von Drachen und Basilisk, jeden eindringlich warnte, was einen Eindringling drinnen erwarten konnte. Dieses Steinbild ließ die Gräfin hoch über dem Burgtor anbringen, nachts ließ sie es durch brennende Fackeln beleuchten.

Bald kroch das Ungeheuer der Pest entlang der Kyll in die Dörfer, schonungslos überfiel es die Menschen. Es ließ sich auch nicht vom gräulichen "Gringbötschel" am Tor der Bertradaburg abschrecken. Es griff sich erbarmungslos seine Opfer im Burginnern. Als man die Opfer zählte, waren auch die Gräfin und ihre wohlbehütete Tochter dabei.

Anmerkung: Die Torburg entstand tatsächlich im 13. Jahrhundert. Das Original des "Gringbötschel" befindet sich im Landesmuseum Trier. Das Sandsteinrelief kehrte in Kopieform nach 100 Jahren, im Jahre 1989, zur Bertradaburg zurück und hängt dort über dem Torbogen. An diese Fakten knüpfte ich damals meine sonst erfundene Geschichte, aber auch an die Lebenserfahrung, dass trotz aller Obhut, oftmals Kinder nicht vor dem Schlimmen bewahrt werden können. Dass die Geschichte so tragisch endete, konnte ich zu Beginn nicht ahnen. Man weiß ja nie, wohin man beim Schreiben einer Geschichte geführt wird. Manche Mürlenbacher nahmen mir das Ende übel. Aber das Leben ist nun mal so. [4]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Wehrbauten und militärische Anlagen / Burgen
Zeit:
13. Jahrhundert
Epoche:
Gotik

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.598842
lat: 50.149385
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Auf der Burg

Internet
https://www.gerolstein.de/ortsgemeinden/muerlenbach/

Datenquellen
[1] Dr. Christian Credner http://www.flickr.com/photos/36577363@N04/4035336160/
[2] Ernst Wackenroder; Die Kunstdenkmäler des Kreises Prüm; 1927.
[3] http://mureimical.de/mittelalter/geb%C3%A4ude-im-mittelalter/bertradaburg/
[4] Wilma Herzog, Gerolstein, 2012.

Bildquellen
Bild 1: © Dr. Christian Credner, Lambertsberg, 2012. http://www.flickr.com/photos/36577363@N04
Bild 2: © Uwe Widera, 54550 Daun, 2011.

Stand
Letzte Bearbeitung: 10.06.2012
Interne ID: 24689
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=24689
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