Haus des Handels
Ehemalige Handelskammer
Mitte-Gartenfeld, Stadt Trier Kaiserstraße 27
Beschreibung
1904-05 von Architekten Karl Ernst Brand errichtet, dreigeschossiger Putzbau in Formen der deutschen Renaissance, Rollwerkgiebel demjenigen des Roten Hauses nachempfunden, Sitzungssaal mit Vertäfelung und bemalter Balkendecke.
(Dehio)
‘Mit glücklicher Hand’
Zum Tag des offenen Denkmals am 8. September: Die erste Trierer Handelskammer
Kaum ein Passant bleibt stehen. Fast unauffällig reiht sich das Haus Nr. 27 in die Trierer Kaiserstraße ein. Dabei hat der ansehnliche Bau mit seinem reichen Innenleben, der heute dem Einzelhandelsverband Bezirk Trier gehört, schon früh regionale Geschichte gemacht. Hier arbeitete die erste Trierer Handelskammer. Zum Tag des offenen Denkmals am 8. September öffnet das geschichtsträchtige Gebäude, das zu den schönsten historistischen Baudenkmälern der Stadt gehört, der Öffentlichkeit von 11 bis 16 Uhr seine Tore.
Auf Ihren Bericht vom 25. Februar des Jahres genehmige ich die Errichtung einer Handelskammer für die Stadt Trier, verfügte König Friedrich Wilhelm in einem allerhöchsten Erlass am 5. März 1855. Aus sechs Mitgliedern nebst Stellvertretern sollte die neue Kammer bestehen. Zur Teilnahme an der Wahl waren sämtliche Handel- und Gewerbetreibende des Stadtbezirks berechtigt, welche eine Gewerbesteuer von zwölf Thalern oder mehr in die Steuerklasse der Kaufleute mit kaufmännischen Rechten entrichten. Als erster Präsident der neuen Kammer wurde am 6. Juli 1855 einstimmig der Trierer Kommerzienrat Wilhelm Rautenstrauch gewählt. Den wichtigen Schritt in Richtung Selbstverwaltung hatte das Kammerwesen schon sieben Jahre früher getan. Bereits 1848 bestimmte eine Verordnung der preußischen Regierung, dass die Gewerbetreibenden fortan selbst ihre Kammervertreter und - vorsitzenden zu wählen hätten und über Etat und Geschäftsordnung selbständig befinden könnten. Eingeführt wurde dabei auch die Bezeichnung Industrie- und Handelskammer. Die erste Trierer Kammer kam nicht von ungefähr. Schon der französischen Besatzungsmacht (bis 1815) lag an einer fachkundigen berufsständischen Interessenvertretung für Handel und Gewerbe, galt es doch nach den Kriegen der Revolution, die darniederliegende Wirtschaft neu anzukurbeln. Mit Hilfe des zuständigen Präfekten wurde deshalb per Regierungsbeschluss am 2. April 1804 für das Saardepartement eine Ratskammer für die Gewerbe, Fabriken, die Kunst und das Handwerk errichtet, die ihren Sitz in Trier hatte. Darin sollten einsichtige und erfahrene Männer zum Wohl der Wirtschaft zwischen Behörden und Gewerbetreibenden vermitteln.
Die neue Trierer Institution, die zunächst ihre Sitzungen im nahen Rathaus am Kornmarkt abhielt, verlangte schon bald nach einer angemessenen Außendarstellung im eigenem Haus. 1903 wurde daher das Grundstück Kaiserstraße Nr. 27 erworben. Mit dem künftigen Kammerbau wurde der Trierer Architekt Karl Heinrich Brand beauftragt. Der Baumeister, der sich später mit Vornamen Ernst nannte, war der Vater des bekannten Malers und Zeichners Ernst Brand-Pagés (1898-1938), der in unzähligen Ansichten die Baudenkmäler und Stadträume Triers festgehalten hat. Der 1869 in Köln geborene Architekt, der an der TH Berlin studiert hatte, war ein weltgewandter Mann, der Neues wagte, ohne die guten alten Werte darüber zu vergessen. Bei seinem Tod 1948 in Trier hinterließ er ein umfangreiches baukünstlerisches Werk, das vom historistischen Bau bis zum expressionistischen der Reformarchitektur reichte. Schon bei seiner Ankunft in Trier scheint den Architekten der unvergleichliche Fundus der städtischen Baudenkmäler fasziniert zu haben. Kaum angekommen machte er sich 1898 gemeinsam mit dem städtischen Denkmalpfleger Friedrich Kutzbach und dem städtischen Kunst- und Gewerbeverein daran, das Simeonstift und einen Straßenblock zwischen Jakob- und Dietrichstraße zu inventarisieren. Weshalb der zehnte Tag der Denkmalpflege 1909 in Trier dem 40-jährigen Architekten denn auch anerkennend bescheinigte, dass er sich in Sorgfalt dem Alten zuwende und dennoch Neues mit glücklicher Hand ins Stadtbild einfüge. Bis heute bleibt Brands so geartete Stadtidee für Trier und seine einmalige historische Bausubstanz hoch aktuell.
Auch bei der Idee für das geplante Kammergebäude, dessen Ausführung dem Architekturbüro Reitz und Sievernich übertragen wurde und das einen Verwandten im Roten Haus in der Dietrichstraße hat, verließ sich Brand auf klassische Archtekturregeln. Ganz offensichtlich kannte der gebildete Architekt Leon Battista Albertis Zehn Bücher über die Baukunst, in denen der Renaissance-Baumeister zum ersten Mal die Synthese von Schönheit und Zweckmäßigkeit zum verbindlichen Architektur-Programm machte. Freilich auch Brand war ein Kind seiner Zeit. Deren neu erwachtes Nationalgefühl strebte historisierend zu den eigenen Wurzeln. In seinen repräsentativen Stadthäusern und Villen fühlte sich der erfolgreiche Bürger als neuer Edelmann. Das altdeutsche Lebensgefühl äußerte sich in aufwendiger handwerklicher Detailarbeit, üppigen Verzierungen und der Hinwendung zu alter Stiltugend.
Bedürfnis nach Glanz und Gloria
Zudem beeinflusste die zeitgenössische wilhelminische Ära mit ihrem Bedürfnis nach Glanz und Gloria gewiss auch den öffentlichen Bau. Es darf angenommen werden, dass Brand mit der Wahl des Renaissance-Stils für seine Handelskammer die Brücke in eine Hoch-Zeit schlagen wollte, die erstmals den freien Handel und den Ausbau von Gewerbe und Industrie förderte und in der eine wohlhabende Kaufmannschaft ihre Talente in erfolgreichen Handelsbilanzen bewährte. Am 11. März 1905 war es dann soweit: die Kammer hielt ihre erste Sitzung im neuen Domizil ab. Bis heute bleibt Brands Kammerbau eine wahre Augenweide. Rechtes Maß und Qualität im Detail signalisiert schon die Straßenfront mit ihren in Sandstein gearbeiteten Fenstergewänden und ihrer dekorativen Eckquaderung. Handelskammer verkündet der Schriftzug in der von festlichem Rollwerk eingefassten Kartusche im Giebel. Prächtig öffnet sich das Haus nach innen. Mächtige Säulen schmücken das Treppenhaus, kunstvolle steinerne Gewände fassen die Türen. Oben im original erhaltenen Sitzungssaal gab man sich prunkvoll gesetzt. Die bemalte Balkendecke und die teilweise goldgefassten Holzschnitzereien stellten den rechten Rahmen für eine Kaufmannschaft, die ebenso auf soliden Gewinn wie auf Anstand und Sitte hielt. Wahre Kleinodien sind die wertvollen Türbeschläge im Floris-Stil. Mag auch Brands repräsentative Architektur keinen Zweifel an Bedeutung von Handel und Gewerbe aufkommen lassen, so lässt sein Raumprogramm nichts an Funktionalität und Zweckmäßigkeit zu wünschen übrig.
Der Personalbestand der ersten Kammer war bescheiden. Er beschränkte sich auf Syndikus (Vorgänger des heutigen Hauptgeschäftsführers), Boten und Schreibkraft. Schon Brand legte Wert auf schnelle Wege. Weshalb das Arbeitszimmer des Syndikus einen direkten Zugang zum nebenliegenden Sitzungssaal erhielt. Über den Geschäftsräumen lag auch dessen Dienstwohnung. Bei den wachsenden Aufgaben der Kammer wurden die Wohnräume allerdings bald als Büros und Bibliothek gebraucht. Von Handel und Wandel spricht der Volksmund. Aus der Versammlung einsichtiger Handelsleute ist inzwischen die öffentlich-rechtliche Körperschaft IHK geworden, die sich als Partner einer global agierenden Wirtschaft versteht. Gewichtige Pracht wurde auch baulich durch selbstbewusste Bescheidenheit ersetzt. Der alte Bau bleibt dennoch unverzichtbar als Zeugnis unverbrüchlichen Willens, Handel und Gewerbe zu befördern.
(Eva-Maria Reuther)
Einordnung
Ersteller, Baumeister, Architekt, Künstler:
Brand, Karl Ernst (Architekt)
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Verwaltungsbauten /
Zeit:
1904-05
Epoche:
Historismus / Jugendstil
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.635760
lat: 49.750383
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage
Internet
http://de.wikipedia.org/wiki/Trier-Mitte/Gartenfeld
Datenquellen
Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Rheinland-Pfalz, Saarland, 1984. Eva-Maria Reuther im Trierischen Volksfreund vom 7.9.02 http://www.intrinet.de/regionales/magazin/wojo/145022.php3
Bildquellen
Bild 1: Juliana Fabritius Dancu, 1984.
Bild 2: © Dorothea Witter-Rieder, Konz, 2002
Bild 3: © Dorothea Witter-Rieder, Konz, 2002
Bild 4: © Dorothea Witter-Rieder, Konz, 2002
Bild 5: Historische Ansichtskarte
Stand
Letzte Bearbeitung: 01.02.2009
Interne ID: 3416
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=3416
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