Römische Kelter

Graach, Gemeinde Graach an der Mosel

Beschreibung
Die neuentdeckte römische Kelter am Josefshof bei Graach

Die achte antike Kelteranlage innerhalb des Kreisgebietes
(Karl-Josef Gilles)

Seit Jahrzehnten wurden in den Weinbergen unmittelbar oberhalb des Josefshofes von Graach immer wieder römische Streufunde, insbesondere Ziegelfragmente, beobachtet. Da der Fundplatz aufgrund seiner Lage am Fuße eines steilen Südwesthanges (Graacher Josefshöfer) in unmittelbarer Nähe zum Fluß sowie in einer der besten Weinbergslagen der Mosel durchaus mit den bisher bekannten römerzeitlichen Kelteranlagen
vergleichbar war, hatte der Verfasser an diesem Ort schon sehr früh ein römisches Kelterhaus vermutet. Daß sich dieses sogar bis unter den in seinen Ursprüngen noch ins Mittelalter zurückreichenden Josefshof erstreckte und somit wesentlich größere Ausmaße erreichte, als zu erwarten war, zeigte sich im Juni 1995, als bei der Herrichtung von
Pfeilerfundamenten im ehemaligenStallgebäude Reste von mindestens einem römischen Becken angeschnitten wurden. Die zuständige archäologische Fachbehörde erhielt davon durch Herrn Gustav Schäffer aus Graach erst Kenntnis, als der betreffende Bereich wieder verfüllt worden war. Eine sofortige Ortsbesichtigung lieferte keine Anhaltspunkte für römische Baureste, zumal der örtliche Vorarbeiter die Entdeckung irgendwelcher älterer Bauspuren hartnäckig leugnete. Erst Monate später wurde unter der Beweislast eines von privater Seite gefertigten Fotos die Existenz dieses Beckens (Becken 5) eingeräumt. Obwohl die Archäologen die vor Ort tätige Baufirma im Juni auf eventuell noch zutagetretende Funde aufmerksam gemacht hatten, wurden nur zwei Monate später Teile weiterer Becken (Becken 2 und 3) zerstört. Wiederum war das Rheinische Landesmuseum von den Erdbewegungen verspätet (von privater Seite) unterrichtet worden. Ein daraufhin verfügter Baustopperlaubte es dann, die durch die Baumaßnahme unmittelbar gefährdeten Bereiche eingehender zu untersuchen. Im Frühjahr 1996 konnte die Grabungsfläche nochmals bis über die westlichen und südlichen Abschlußmauern des antiken Gebäudes hinaus erweitert werden.

Die Kelter von Graach ist nach den Kelterhäusern von Piesport, Piesport-Müstert, Maring-Noviand, Erden, Lösnich sowie den beiden von Brauneberg bislang die achte römische Kelteranlage, die während der letzten 20 Jahre im Moseltal (in Deutschland die neunte) archäologisch nachgewiesen werden konnte. Obwohl sie im Mittelalter bei der Errichtung des der Abtei Sankt Martin in Trier gehörenden Josefshofes vermutlich auf brauchbares Steinmaterial weitgehend ausgebeutet und durch Überbauung bis in unser Jahrhundert stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, läßt der archäologische Befund trotz aller Widrigkeiten die Vermutung zu, daß hier auf einer hochwasserfreien Terrasse am Fuße eines steilen Südwesthanges offenbar die aufwendigste aller bisher bekannten Kelteranlagen des Moseltals errichtet wurde.

Mit einer Fläche von mehr als 25,80 x 16,10 Meter (ursprünglich vermutlich circa 40-50 x 18-20 m) zählte die Anlage von Graach zweifellos zu den größten Kelterhäusern des Moseltals. Sie umfaßte im untersuchten Bereich mehr als vier Räume und fünf Becken unterschiedlicher Größe. Nur an wenigen Stellen hatten sich noch Reste des Aufgehenden, einer 0,60 - 0,70 Meter breiten, aus Kalksteinen errichteten Mauer, erhalten, die wiederum auf einer 0,90 Meter starken, sehr groben Kalksteinstickung ruhte, zwischen der Katkmörtelausgleichsschichten (mit Schiefersplitt als Zuschlag) angetroffen wurden. Während der nördliche Abschluß des Gebäudes unter der dicht oberhalb vorbeiführenden Straße zu vermuten ist, war seine
Ausdehnung in östlicher Richtung nicht feststellbar. Ein etwa 12 Meter nordwestlich der Kapelle angelegter Suchschnitt erbrachte neben einer abgebrochenen, mittelalterlichen oder neuzeitlichen Mauer auch umfangreichen römischen Bauschutt, der erkennen ließ, daß dieser Bereich noch innerhalb des antiken Gebäudekomplexes lag. Wenig südlich davon sollen nach Aussage eines früheren Bewohners des Josefshofes im Jahre 1954 mindestens zwei im rechten Winkel angelegte Ziegelmauern,
möglicherweise die Reste weiterer Becken, zerstört worden sein. Unklar bleibt auch, ob der in der westlichen Außenmauer der Kapelle beobachtete Kelterstein erst bei deren Errichtung im Jahre 1672, vielleicht im Zuge von Ausschachtungsarbeiten, zum Vorschein kam oder aus ihrem Umfeld stammte und damals als Baumaterial willkommen war.

Hinweise für einen Fortbestand zumindest von Teilen des Kelterhauses in merowingischer Zeit haben die archäologischen Untersuchungen allerdings nicht geliefert. So bleibt jene Urkunde des Jahres 975 auch weiterhin
umstritten, nach der der Trierer Bischof Magnerich gegen Ende des 6. Jahrhunderts der von ihm gegründeten Trierer Abtei Sankt Martin den Josefs- beziehungsweise Martinshof geschenkt haben soll. Als der Benediktinerabtei Sankt Martin gehörig ist der Hof erstmals sicher für das Jahr 1168, als Weingut für 1174 bezeugt (Kunstdenkmäler Kreis Bernkastel, S. 192). Die erste Erwähnung von Weinbergen in Graach reicht dagegen bis in das Jahr 1051 zurück.

Wenn der Josefshof im Mittelalter an der Stelle einer römischen Kelter errichtet wurde, liegen dafür die Gründe wohl weniger in der Kontinuität der Anlage als in der Tatsache, daß die Trümmerstätte inmitten der besten Weinlage damals für den Weinbau nicht oder nur sehr schwer zu nutzen war und man aus diesem Grunde den neuen Hof auf den Ruinen errichtete, wobei zugleich auch Baumaterial gewonnen werden konnte. Sicherlich haben ähnliche Beweggründe die Abtei Mettlach veranlaßt, im späten Mittelalter ihr Kelterhaus auf den Ruinen der römischen Anlage von Piesport-Müstert zu erbauen.

Leider zeigt das jüngste Schicksal der römischen Kelter von Graach, daß man trotz aller Bemühungen und trotz des großen Interesses, das der Anlage (selbst vom Bauherrn) entgegengebracht wurde, nicht immer mit einem positiven Ausgang rechnen darf. Andererseits erlauben es die
zahlreichen Pflichten den Archäologen nicht, eine Baustelle außerhalb von Trier permanent zu beobachten und damit auch kurzfristig vorgenommene Erdbewegungen wahrzunehmen. Geradezu unverständlich ist es aber, wenn ein so beachtenswertes Denkmal des antiken Weinbaus an der Mosel, obwohl man sich seiner Bedeutung bewußt war, durch die mangelnde Sensibilität und den Zeitdruck, dem die Baufirma offenbar ausgesetzt war, für immer zerstört wurde.

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Wohn- und Wirtschaftsgebäude / Bäuerliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude
Zeit:
Circa 500 vor Chr. bis circa 500 nach Chr.
Epoche:
Kelten- / Römerzeit

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.055564
lat: 49.939992
Lagequalität der Koordinaten: Vermutlich
Flurname: Pichter

Internet
http://www.graach.de/

Datenquellen
Karl-Josef Gilles im Kreisjahrbuch Bernkastel-Wittlich von 1998

Bildquellen
Bild 1: Kreisjahrbuch Bernkastel-Wittlich von 1998
Bild 2: Kreisjahrbuch Bernkastel-Wittlich von 1998

Stand
Letzte Bearbeitung: 14.11.2002
Interne ID: 5821
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