Fossile Flur

Antiker Ackerbau unterm Schulhof
Mitte-Gartenfeld, Stadt Trier Sichelstraße

Beschreibung
Überall, wo man in der Altstadt buddelt, kommen römische Gemäuer zum Vorschein. Dieses geflügelte Wort ist widerlegt. Landesmuseums-Grabungen zeigen: Das in der Spätantike aus allen Nähten platzende Trier leistete sich ein großes innerstädtisches Acker- und Gartenareal, das unbebaut blieb.

Unscheinbare Löcher im Boden lassen Archäologen jubeln. Schauplatz des Geschehens: der ehemalige Dewora-Schulhof an der Sichelstraße. Dort tut sich als Vorbote eines Neubauprojekts eine 1000 Quadratmeter große Grube auf, die das Landesmuseum seit August untersucht hat. Die Mini-Eintiefungen liegen fast vier Meter unter dem heutigen Bodenniveau.

Im 8. Jahrhundert: Die Karawane zieht weiter

Das sind Pfostenlöcher von Weingarten-Pfählen. Mehr als 1800 Jahre alt, sagt Lukas Clemens, wissenschaftlicher Leiter der Grabungen. Überhaupt wimmelt es nur so von Spuren agrarischer Aktivitäten. Pflanzgräben, ja selbst Pflugspuren aus römischer Zeit haben die Museumsleute fein säuberlich herausgearbeitet. Gemäuerreste förderten sie ebenfalls ans neuzeitliche Tageslicht, aber die liegen gut einen Meter über dem römischen Niveau. Sie stammen aus dem 7. und 8. Jahrhundert: trocken gesetzte Fundamente für Fachwerkbauten. Das wilde Gesteins-Sammelsurium spricht Bände. Triers römische Glanzzeit war längst passé und mit ihr die Segnungen der Zivilisation. Die Steine schleppten die frühmittelalterlichen Hausbauer aus der Umgebung herbei. Sie recycelten von Ziegeln bis zu Gesimssteinen alles, was nicht niet- und nagelfest war, und errichteten die erste menschliche Wohnsiedlung an dieser Stelle.

Diese neue Erkenntnis ist eine große Überraschung: Das 285 Hektar umfassende römische Trier war also nicht, wie bisher angenommen, bis an die Stadtmauer zugebaut. Selbst im 4. Jahrhundert nicht, als etwa 70 000 Menschen in der größten Stadt nördlich der Alpen lebten. Auch da wuchsen auf dem heutigen Dewora-Gelände Wein und Getreide. Über die Ausdehnung kann bislang nur spekuliert werden. Lukas Clemens glaubt aber, dass es sich um einige Hektar gehandelt haben dürfte, da in den 80er Jahren bei Grabungen am rund 100 Meter entfernten Bischöflichen Museum statt der erwarteten römischen Straße ebenfalls landwirtschaftliche Spuren zu Tage traten: Das Puzzle fügt sich zusammen.

Die frühmittelalterlichen Dewora-Bewohner blieben nicht lange. Im 8. Jahrhundert brechen ihre Spuren abrupt ab. Vermutlich zog die Sippe, wie damals üblich, einfach ein paar hundert Meter weiter.

Die unter der technischen Leitung von Bruno Kremer grabenden Museumsleute fanden die Reste dreier Gebäude plus Zäune und Einhegungen für Tierhaltungen ­ für die Wissenschaftler ebenfalls ein Knüller, denn solche Siedlungen ließen sich bislang nur an wenigen Stellen im Stadtgebiet nachweisen, so im Altbachtal und bei Sankt Irminen.

Heute beginnt der Abriss der Dewora-Schule

Auf die Dewora-Siedlungsstelle allerdings weisen keine schriftlichen Überlieferungen hin. Sie zerfiel nach dem Wegzug der Bewohner, die Reste wurden im 13./14. Jahrhundert großteils zerstört, als das Areal der Gewinnung von Bausand diente.

Bald kommen neue Siedler. Nach dem heute beginnenden Abriss der Dewora-Schule baut die Wohnungs- und Treuhand AG gbt ein Wohn-/Geschäftshaus. Geplante Fertigstellung des Acht-Millionen-Euro-Projekts: Anfang 2005. Die von der gbt mitfinanzierten archäologischen Untersuchungen wertet Museumschef Hans-Peter Kuhnen als großen Erfolg: Wir sind froh, dass wir vor Baubeginn in Ruhe arbeiten konnten. Lohn der Mühen: Überaus wertvolle Erkenntnisse zur Trierer Stadtgeschichte. [1]

Einordnung
Kategorie:
Archäologische Denkmale / Wirtschaft, Gewerbe und Verkehr / Altäcker
Zeit:
7. und 8. Jahrhundert
Epoche:
Kelten- / Römerzeit

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.646066
lat: 49.757384
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage

Internet
http://de.wikipedia.org/wiki/Trier-Mitte/Gartenfeld

Datenquellen
[1] Roland Morgen in: Trierischer Volksfreund vom 2.12.2002 http://www.intrinet.de/regionales/trier/219532.php3

Bildquellen
Bild 1: Google Earth

Stand
Letzte Bearbeitung: 04.12.2007
Interne ID: 5885
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=5885
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